Mittwoch, 13. April 2005

„Subjekt-Objekt“ Zum 120. Geburtstag von Georg Lukacs

Heute vor 120. Jahren wurde der ungarische Philosoph Georg Lukacs geboren. Er beeinflusste den westlichen Marxismus wie kaum einE andereR. Ohne sein epochales Werk „Geschichte und Klassenbewusstsein“, wäre zum Beispiel eine kritische Theorie Adornos und Horkheimers Provenienz undenkbar gewesen. Er ist dabei einer der ersten Theoretiker der sich den Marxschen Begriffen des Fetischismus der Verdinglichung angenommen hat. Daraus resultierend bezieht er sich konzise auf die Subjekt-Objekt Dialektik, die das warenmonadische Dasein des Menschen im (Spät-)Kapitalismus auszeichnet. Er machte dabei die Helgelschen erkenntnistheoretischen Ausführungen über Subjekt und Objekt, durch eine materialistische Umdeutung, für den Marxismus urbar. Wenn Marx Hegel vom Kopf auf die Füße gestellt hat, dann hat Lukacs Hegel die Umstände erklärt, welche ein solches Subjekt Objekt Schema erst richtiggehend erschaffen. Somit wurde der bisherig wackelig auf tönernen Beinen stehende Hegelmarxismus von Lukacs in Zement gegossen. Ganz gelingt ihm dies aber nicht, da er deterministisch, und somit ganz traditionsmaxistisch dem Proletariat, alleine aufgrund seiner Stellung innerhalb des Produktionsprozesses und dem daraus resuitierenden Erkenntnis der eigenen Warenförmigkeit, eine den Kapitalismus transzendierende Rolle zuschreibt. Somit ist Lukacs sozusagen auf halber Strecke stehen geblieben. Er fokussiert zwar bereits die basale Kategorien der kapitalistischen Vergesellschftung, nämlich die Ware, beschreibt das daraus entstehende notwendig falsche Bewusstsein, sieht aber nicht, dass das Kapital selbst(als Vermittlungsform), gleichsam als so etwas wie der materialisierte Weltgeist, eben jenes Subjekt Objekt Schema konstituiert. Somit frönt er einem gewissen Klassenfetischismus um diesem Dilemma zu entrinnen.

Bezugnehmend auf eben diesen 120. Geburtstag von Georg Lukacs hat auch die JungeWelt(jW) zwei Schwerpunktartikel zu seinem Schaffen veröffentlicht. Deren einer sei hier explizit empfohlen. Er beschreibt kursorisch und bündig das Werk Lukacs und dessen Rezeption. Ein kurzer Teil des Textes sei hier aufgrund seiner Prägnanz erwähnt:


„Diesen realen Schein[der ontologischen Eigenschaften des Kapitalismus, Anm. B.L.] zu entmystifizieren und defetischisieren und als Produkt menschlicher Tätigkeit aufzuzeigen, die »Tatsachen« in soziale und geschichtliche Prozesse aufzulösen, ist nun Aufgabe der Dialektik: »Die Dialektik sieht die fixierten Schöpfungen, Gebilde und Gegenstände, den ganzen Komplex der materiellen, dinglichen Welt, ebenso wie die Welt der Vorstellungen und des geläufigen Denkens, nicht als etwas Ursprüngliches und Selbständiges an, sie nimmt sie nicht in ihrer fertigen Gestalt, sondern unterwirft sie einer Untersuchung, in der die verdinglichten Formen der gegenständlichen und ideellen Welt sich auflösen, ihre Fixiertheit, Natürlichkeit und angebliche Ursprünglichkeit verlieren und sich auf diese Weise als abgeleitete und vermittelte Erscheinungen, als Sedimente und Gebilde der gesellschaftlichen Praxis der Menschen zeigen.« (Karel Kosik) Sonach ist es weder die Aufgabe der dialektischen Gesellschaftstheorie, sich defätistisch-pragmatisch einem beobachteten Fixum von Tatsachen unterzuordnen, noch sich über diese anarchistisch-voluntaristisch zu erhöhen, sondern deren wesentliche Vermittlungszusammenhänge als in der Gesellschaft selbst stattfindende antagonistische Prozesse aufzudecken.“


Lukacs Totalitäts- und Fetischismuskritik wird auch weiterhin, besonders in Zeiten in denen das Kapital seine desaströsen finalen Wehen erlebt, für alle emanzipatorischen Bewegungen einen Fluchtpunkt bilden müssen. Die Dialektik scheint dafür der einzige gangbare Weg aus dem erkenntnistheoretischen Prokrustesbett zu sein.

Freitag, 8. April 2005

„Bücher to do stapel“*

Aufgrund meiner vermehrten Blogtätigkeit in letzter Zeit und auch anderen besonders ausseruniversitären Hedonismen, bildet sich auf meinem Schreibtisch ein immer größer werdender Stapel an Büchern, die in nächster Zeit unbedingt gelesen werden möchten. Hier eine kurze prospektive Schau auf diese Werke:

Adorno, Theodor W.: Studien zum autoritären Charakter, Frankfurt am Main 1973

Adorno beschreibt in den Studien zum autoritären Charakter(SzaC) jene charakterlichen Dispositionen, welche bestimmte Menschen besonders empfänglich für faschistoide Propaganda machen. Aufbauend auf die Freudsche Psychoanalyse, die er einer materialistischen Volte unterzieht(und sich dabei auch dediziert vom Freudomarxismus eines Willhelm Reichs segregiert), entwickelt er dabei eine konzise Darstellung des faschisierten (oder besser nazifizierten) Massenmenschen. Weiters zeigt er auf, in welchem Maße der AC durch die Veränderung innerhalb der patriarchalen Kleinfamilie induziert ist. Die schnellen Umschläge der patriarchalen Kleinfamilie verortet er im Aufkommen des (fordistischen) Industriemassenkapitalismus. Mit Hilfe dieses Musters gelingt es ihm auch herauszuarbeiten, welche Funktion die Projektionsfläche „Jude“(hier sei absichtlich nur die männliche Form verwendet), für den, zumindest latent antisemitischen, autoritären Charakter bildet. Damit gelingt es ihm auch, jenseits von ökonomistisch verkürzten Rationalisierungen, eine zumindest partielle Erklärung für den genuin deutschen Vernichtungsantisemitismus zu liefern.hrew

Komplementär dazu:

Storr, Anthony: Freud, Freiburg/ Basel/Wien o.J.

Der minimalistische Titel und das fehlende Publikationsjahr lassen es schon erahnen, dass es sich hierbei um ein Einführungswerk in die Freudsche Psychoanalyse handelt. Bei einem Buchhandlungsoutlet um 2,50€ erstanden, gibt es die Grundgedanken Freund auf 150 Seiten zusammengefasst wieder. Dabei kommt es aufgrund der Kompaktheit des Buches zu einem solchen Genre immanenten Verkürzungen. Gerade aber aufgrund seiner Prägnanz und in Verbindung mit der Lektüre der „Studien zum autoritären Charakter“ scheint es als Nachschlagewerk ganz adäquat. So z.B.(wie in meinem Fall) wenn der Unterschied zwischen bewusst, unbewusst und vorbewusst der Freudschen Terminologie nicht so ganz einleuchten will.

freud



Weiters etwas aus dem Universum der Wertkritik:

Kurz, Robert: „Schwarzbuch Kapitalismus“. Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft, Frankfurt am Main 1999

Als (Quasi-)Antwort auf das unsäglichen „Schwarzbuch Kommunismus“ veröffentlichte Kurz das Seinige. Dabei zeichnet er minutiös die Genese des kapitalistischen Systems nach, und geht auch auf die Unterschiede zwischen kapitalistischen und vorkapitalistischen Verhältnissen ein. Der Titel sollte somit besser „Zur historischen Genese des kapitalistischen System“ oder so ähnlich heißen; Schwarzbuch Kapitalismus entsprach wohl eher der Verlagsraison. Wer sich dabei eine wertkritisch fundierte Analyse von der ursprünglichen Akkumulation bis zur finalen Krise des warenproduzierenden Systems, dank Mikroelektronisierung, erwartet, wird wohl oder übel enttäuscht sein. Trotz seiner bärentöterischen Qualitäten, immerhin hat die Monographie an die tausend Seiten, transformiert Kurz die wertkritische Theorie auf ein Level herunter, dass ohne vorige Lektüre der Kritik der politischen Ökonomie verständlich ist. Dies ist sicherlich ein Schlüssel für die guten Verkaufszahlen des Schwarzbuches Profunden KennerInnen der Wertkritik, sei aber lieber ein anderes der unzähligen Werke Kurzens empfohlen.

schwarzbuch kapitalismus


Abschließend noch ein Werk mit wichtigem Hinweis:

Ders.: Die Substanz des Kapitals, In: EXIT! Kritik und Krise der Warengesellschaft 1/2003, Seiten 44-130

In diesem Aufsatz aus der Theoriezeitschrift EXIT! geht es um die negative Totalität der abstrakten Arbeit. Kurz setzt sich in dem allgemein als eher inkohärent zu beschreibenden Text, in Abgrenzung zu postmodernistischen Stilblüten, mit der historischen Relativität der kapaitalistischen Formprinzipien auseinander. Darin findet sich dann auch eine Kontroverse um Moishe Postones Werk, „Zeit Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft“. Dieser Text, im Gegensatz zu den weiter oben kurzrezensierten Monographien sei hier deshalb empfohlen, weil wir, eine Gruppe wertkritisch Interessierter Menschen, dazu einen Lesekreis veranstalten. Sollte also irgendwer im Raum Wien und Umgebung an einem derartigen Lesekreis(er existiert bereits) interessiert sein, so bitte ich, sich bei mir per Mail zu melden.

3895021830.03.mzzzzzzz

Abschließend noch die Aufklärung des, auf den ersten Blick wohl äußerst unorthodoxen, wenn nicht sogar unverständlichen Titels. Dieser ist eine Hommage an die Ausstellung „bildet to do stapel“ der linksdadaistischen Wiener KünstlerInnengruppe Monochrom.

Mittwoch, 6. April 2005

„The adornitic turn“

Ein Blick auf die Linkliste dieses Blogs reicht um zu erkennen welchem Teil der radikalen Linken sich der Verfasser einigermaßen zugehörig fühlt, der Wertkritischen. Falls eine solche Distinktion denn überhaupt Sinn haben soll und kann(und somit nicht zur identitären Autoimmunisierung gegen jedwede Kritik gereicht), dann nur in der Hinsicht, dass auf Entwicklungen innerhalb des eigenen Szene-Subsoziotops umso sorgfältiger reagiert wird.

Genau eine solche, im oben konzertierten Sinne stattfindende, Entwicklung scheint in letzter Zeit rund um das Flagschiff der wertkritischen Publizist, namentlich Robert Kurz, gegeben zu haben. Selbiger bezieht sich in letzter Zeit immer häufiger positiv auf die (Spät-)Werke vonTheodor W. Adorno . Dies korreliert mit einer Hinwendung Kurzens zur Aufklärungs- und Subjektkritik. Seit dem Jahr 2002 publiziert Kurz dabei Artikel, welche sich mit der Thematik der Aufklärung und den ihr innewohnenden destruktiven Potenzen beschäftigen. Die Kritik der Aufklärung begann dabei in der Krisis 25 unter dem programmatischen Titel: „Blutige Vernunft. 20 Thesen gegen die sogennante Aufklärung und die westlichen Werte“. Sozusagen als Sequel und Elongatur der „Thesen“ erschien in den drauffolgenden Krisis Ausgaben(26 + 27) jeweils ein weiterer Artikel zur Thematik. Nämlich: „Negative Ontologie. Die Dunkelmänner der Aufklärung und die Geschichtsmetaphysik der Moderne“ und „Tabula Rasa - Wie weit kann und muss die Kritik der Aufklärung gehen?“(alle angeführten Texte sind daraufhin in diesem Sammelband erschienen, und leider nicht online abrufbar) .Danach kam es zu dem in diesem Blog schon kurz besprochenem Krisis/EXIT! Fork. Selbiger war nicht unwesentlich von einem Dissens über eben jene Aufklärungs- und die dazu im dialektischen Verhältnis stehende- Subjektkritik induziert. Während die (Alt-)Krisis sich nach einer Dekade im theoretischen Elfenbeinturm der Bewegung sich also tendeziell mit der konkreten Aufhebung der ganzen Scheiße widmen wollte, folglich nichts gegen eine Verballhornung wertkritischer Theorie einzuwenden hatte, trieb der neue EXIT!-Zusammenhang die Kritik weiter auf und griff auch die basalsten Formen der kapitalistischen Realmetaphysik an. Demgemäß auch die eigene Subjektkonstitution.

Der Link zu Adorno (der Untertitel eines seiner Traktate gab diesem Blog seinem Namen, und soll auch die Affinität zu seiner Denke aufzeigen) ist schnell angeführt. Selbiger verfasste zusammen mit Max Horkheimer die „Dialektik der Aufklärung“, ein äußerst kompaktes und komplexes Fragment, welches versucht den Zusammenhang zwischen Aufklärung und absoluter Barbarei auf den Punkt zu bringen. Oder wie es in der Vorrede zur DdA selbst heißt: „Was wir uns vorgesetzt hatten, war tatsächlich nicht weniger als die Erkenntnis, warum die Menschheit, anstatt in einen wahrlich menschlichen Zustand einzutreten, in eine Art der Barbarei versinkt“. Dabei gehen die Autoren dem Titel entsprechend eben von einer Dialektik der Aufklärung aus, diese habe eben sowohl gleichzeitig den Keim der Emanzipation, als auch jenen der Regression in sich. Kurz verwirft den hochtrabenden Begriff der Aufklärung in seinen neueren Werken zur Gänze und somit von der Aufklärung als durch und durch negativer Totalität aus.

Wie sich diese theoretische Entwicklung auswirken wird, ist noch in keinster Weise ausgefochten. Vielmehr scheint die jetzige EXIT! Wertkritik, dadurch dass sie einen koziseren Begriff von Arbeit Wert und Ware hat als Adorno, der immer nur vom ubiquitären Tauschverhältnis ausgegangen war und dementsprechend Arbeit als Vergesellschaftungsform ontologisiert hatte(mit diesen Defiziten hatte sich schon der alte Krisis Zusammenhang zur Genüge auseinandergesetzt, vgl dazu Norbert Trenkles Text "Gebrochene Negativität. Anmerkungen zu Adornos und Horkheimers Aufklärungskritik" [Achtung PDF File!]), die fruchtbareren Ausgangspunkte zu haben. Von einer wertkritischen Neukonzeptualisierung der kritischen Theorie Adornos (und Horkheimers) lässt sich also einiges an theoretischem Mehrwert erwarten. Einen weiteren Beitrag dazu leistet ein Seminar mit Robert Kurz bei der Kooperative Haina, welches sich mit dem erkenntnistheoretischen Hauptwerk Adornos der "Negativen Dialektik" auseinandersetzen soll. Wie weit die Kritik der Aufklärung nun wirklich gehen soll und kann, bleibt weiterhin fraglich. Über eines ist sich die die gesamte wertkritische Orthodoxie(ich gebrauche diesen Begriff in Abgrenzung gegen die Verlegenheitswertkritik der „Antideutschen“) heute aber einig. Es geht auf jeden Fall gegen die heutigen ApologetInnen von Freiheit und Demokratie im Namen der Aufklärung.

Montag, 4. April 2005

Nicht S.O.S. sondern Mayday!

Der erste Mai war traditionell der Tag der Arbeit. An diesem Tag konnten die Sicheln und Hämmer, aber auch die Gewehre, des Proletkult ArbeitERs beiseite gelassen werden, und stattdessen war es Raison zum Aufmarsch der politischen Inkarnation der ArbeitERklasse zugehen, dem Aufmarsch der sozialistischen (und kommunistischen) Partei(en).

Als die Jahre ins Land gingen, und der Hochfordismus, samt seinem Konformitätszwang, aber auch seiner gewissen Prosperität, seine Sternstunden erlebte, war der erste Mai längst zur Traditionspflege verkommen, und der anfänglich sicherlich kämpferische Impetus war völlig verloren gegangen.

Da dieser sibirische Sommer des Hochfordismus aber nur kurz weilte, und das Gorgonenhaupt des postfordistische Kapitalismus nun endgültig zum Vorschein zu gelangen scheint, regt sich , rund um den ersten Mai, wieder gewisser Widerstand. Dieser weiß, dass er von einem demokratischen Sozialpaternalismus (sofern dieser nicht schon längst an die absolute Unterwerfung und Arbeitszwang gebunden ist) nichts mehr zu erwarten hat, stattdessen wird versucht auf adäquate Weise, nämlich den veränderten Verhältnissen des Postfordismus entsprechend, an die Tradition des kämpferischen ersten Mai anzuschließen. Dieser Versuch, der anstatt „Arbeit für alle“ lieber die „Abschaffung der Arbeit“ propagiert nennt sich „Mayday“.

Entlehnt aus dem Jargon der Seefahrt soll der Spruch zeigen, dass es höchste Eisenbahn ist, sich von den Zumutungen des kapitalistischen (Non-)Daseins zu emanzipieren. Anstatt in gutem alten Arbeitersprech einen (klerikal bonierten) „Save our Soules“ Stoßseufzer an irgendeine Institution wie die Partei abzugeben, und die „Stärksten der Parteien“ zu mimen, wird beim Mayday in Eigenregie auf die Verschlechterung der Lebensverhältnisse hingewiesen. Die Prekarisierung aller menschlichen Entäußerungen im Spätkapitalismus weiß sich in keiner institutionellen Partei zu kanalisieren. Daraus folgend finden mehreren europäischen Städten Euromaydays statt. So auch in Wien.

Sozusagen als Kickoff zu zur Mayday Parade am 1. Mai gibt es morgen am 4.4.05 eine Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „Prekär, Prekarisierung, Prekariat? Eine Info-Veranstaltung rund um den EuroMayDay 2005“ Der Aufruf dazu sei deshalb hier dokumentiert:

In den letzten Jahren haben sich die Arbeits- und Lebensbedingungen für Viele massivst verschlechtert. Diese Verschlechterungen haben einen neuen Namen bekommen: Prekarisierung. Selbige ist das Ergebnis eines weltweit voranschreitenden politischen Projektes zur Entsicherung aller Lebensbereiche, eine Entsicherung, die in anderen Ländern schon langeRealität, aber auch in diesem Lande insbesondere für Frauen, Migranten
und Migrantinnen nichts Neues ist.

Verschiedene Gruppen der undogmatischen Linken in Europa haben im vergangenen Jahr die keineswegs neuen Begriffe der Prekarisierung oder der Prekarität wieder populär gemacht und versucht, darüber eine öffentliche Debatte zu initiieren. So wurde im Zuge des EuroMayDay 2004in zahlreichen Städten prekärer Arbeits-, Lebens- und Aufenthaltsverhältnisse thematisiert, tagte im Juni die Prekarisiertenversammlung. im November wurde auf dem Europäischen Sozialforum (ESF) in London eine Koordination zum Thema Prekarisierung ins Leben gerufen, auch dasspanische Sozialforum Anfang Dezember in Malaga stand unter dem Motto Prekarisierung und in Berlin fand Mitte Januar 2005 das erste europäische Prekarisiertentreffen statt, um nur einige internationale Beispiele zu nennen. Im Zuge der Info Veranstaltung soll daher nicht nur Versucht werden, sich dem Thema Prekarisierung auf unterschiedlichen Ebenen anzunähern, sondern auch darüber diskutiert werden, welche politischen Handlungsspielräume sich unter veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ergeben.

5. April 2005, Wien
Silke Veth - arranca!
Robert Foltin - grundrisse
und weiteren GästInnen
Präsentation des Precarity DVD-Magazine - A compilation of 17 videos on
flexwork & precarity
Ort: 19 Uhr, Uni Wien
(AAKH Campus, Aula)

6. April 2005, Linz
Silke Veth - arranca!
Lucenir Caixeta - maiz
Robert Foltin - grundrisse
Präsentation des Precarity DVD-Magazine - A compilation of 17 videos on
flexwork & precarity
Ort: 20.30 Uhr, Kapu
(Kapuzinerstraße 36)

Infos
www.euromayday.at

Statt dem Lumpenproletariat zelebrieren diesmal prekär Beschäftigte aller Berufsgruppen, seien es nun SoftwareentwicklerInnen oder andere atypische Beschäftigte die Mayday-Parade. Unter der Ägide des heiligen Prekarius anstatt der Patronanz einer Partei kann eigentlich nichts schiefgehen.

P.S. Zur Prekarisierung aller Lebensbereiche im Postfordismus gibt es zum Beispiel diesen hervorragenden Textl

Sonntag, 3. April 2005

Die Jubelperser des Pontifex

Da über die Toten nur gut gesprochen werden darf, und der Papst schon zu Lebzeiten einer der Besten, der auf Erden Weilenden, gewesen zu sein scheint, überschlagen sich die deutschsprachigen Feuilletons nun mit Huldigungen und Elogen auf den „Größten aller Brückenbauer“. Exemplarisch sei hier die österreichische Tageszeitung „Der Standard“ mit seiner Papsthagiographie genannt. Bei dieser durfte sogar der Chefredakteur Gerfried Sperl höchstpersönlich ans Werk um dem Papst den letzen Salut zu erweisen. Dort heißt es dann in einem Nekrolog mit dem pathetischen Titel „Ein unbeugsamer Hüter des Glaubens“ schnörkellos:

„Ein Menschenfischer, ein Medienstar von Anfang an, ein glühender Antikommunist, der mit dem Kommunismus aber eines gemeinsam hatte, den konsequenten Zentralismus.“

Seine Reverenz ist ja auch wirklich beeindruckend, und reicht in der liberalen Presse westlichen Zuschnitts zumindest zum Platz des „Popstars mit Abschlägen“. Erste Eigenschaft: „glühender Antikommunist“, zweite direkt darauf bzw. daraus folgende „Medienstar“. Gerfried Sperl kann gar nicht anders seine antikommunistische Ader ein zweites Mal zu adeln, nämlich wenn es unter der Überschrift „politische Leistung“ heißt:

„Besonders hervorzuheben ist die Rolle des Papstes beim Umsturz in Osteuropa. Wojtyla hat nicht nur enormen moralischen Beistand geleistet, er hat die oppositionelle polnische Gewerkschaftsbewegung Lech Walesas auch finanziell unterstützt. Vor allem hat er auf Seiten der Kirche demonstriert, was Vaclav Havel und Andrej Sacharow auf Seiten der Dissidenten immer wieder fast heroisch durchgehalten haben: dass man keine Divisionen braucht, um Unrechtsregime zu Fall zu bringen.“

Hinzuzufügen wäre vielleicht, dass sich Johannes Paul II. mit anderen „Unrechtsregimes“ aufs Prächtigste verstand. Es seien beispielsweise nur seine öfteren Téte á Tétes mit Augusto Pinochet oder seine Dämonisierung der Befreiungstheologie genannt. Um solche missliebigen Fakten erst gar nicht aufkommen zu lassen, hat „der Standard“ prophylaktisch die Kommentarfunktion unter den Papstartikeln gesperrt. Somit wir auch weiterhin mit keinem Wort Erwähnung finden, dass der Papst ein ordinärer Reaktionär war, der versuchte seine Schäfchen einem strengen Regiment zu unterwerfen. So trat er sein Leben lang für den Gebärzwang von Frauen ein, brandmarkte AIDS als die Geisel Gottes für Homosexuelle, und verglich desöfteren Abtreibungen mit dem Holocaust. All dies findet in einer liberalen Tageszeitung aber keine Erwähnung, vielmehr kann mensch sich dafür beim ORF ins Kondolenzbuch eintragen.
Ganz grundsätzlich hatte ich mit dem Todeskampf des Papstes als Person eine gewisse Form von Mitleid. In seiner Funktion als Obermullah einer Großsekte empfinde ich ihm gegenüber aber nichts als antiklerikale Ablehnung. Vielmehr steht das Christentum im krassen Gegensatz zur Aufhebung menschliches Leides und ist nicht mehr als ein legitimatorisches Vademecum, das helfen soll das Leid hinzunehmen, anstatt es abzuschaffen. Denn der glückliche Zustand, die Befreiung vom kapitalistischen Joch, wird ins Unendliche nach dem Tode transponiert. Franz Schandl drückt dies in einem kurzen Text über die kulturindustrielle Produktion der Leiche Papst pointiert folgendermaßen aus:

„Das ist die große, letztlich lebensfeindliche Botschaft des Christentums: Das Kreuz soll ertragen werden. Christliche Religion ist lediglich Beistand beim Leiden. Erlösung gibt es nur im Jenseits. Sie deutet auf den Tod, nicht auf das Leben, das es zu erringen gilt. Sie ist etwas anderes als Verwirklichung. Wo das irdische Glück fehlt, hat das himmlische leichtes Spiel. Gott ist das Extraordinäre der menschlichen Defizite. Umgeleitete Lust, umgeleitetes Leben. Ein Orgasmus, den eins nicht hat.“


Oder um es mit dem "ollen Kalle" zu sagen: Ihr christen habt ein maßgebliches interesse an ungerechten strukturen, die opfer produzieren,
denen ihr dann euere herzen in wohltätigkeit ausschütten könnt.(Karl Marx)


In diesem Sinne: „dixi et salvavimus animas nostras“



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