Kapitale ohn´Unterlass

Im Zentrum des Kapitalismus steht dessen Namensgeber das Kapital. Diese Namensgebung scheint einigermaßen stringent, da die selbstzweckhafte Bewegung des Wertes die Synthesis der Menschen erst erschafft, und somit Gesellschaft immer erst ex post als Wertvergesellschaftete konstituiert wird. Das Kapital als Vermittlungsform und gesellschaftliches Verhältnis ist also für die jetzige historisch determinierte Gesellschaft, die zentrale Kategorie. Kritische Theorie hat sich somit nolens volens immer in irgendeiner Form auf diesen Strukturzusammenhang zu beziehen. Heutzutage geschieht dies zumeist in legitimatorischer wenn nicht sogar apologetischer Form. Allerorten, besonders in den Sozialwissenschaften, ist die Rede von symbolischem und sozialem Kapital, sollte es hart auf hart kommen, auch schon mal vom Humankapital.

Diese Wortkreationen sind durchaus ambivalent. Sie verkennen durchwegs die kritische Intention des Wortes „Kapital“ in der Kritik der politischen Ökonomie, und verwenden es stattdessen als postmoderne Allerweltskategorie. So richtig es ist alles auf die den Gesellschaftlichkeit strukturierenden Formzusammenhang Wert rückzubinden, so falsch ist es, Kapital als tautologisches prozessierendes sozietäres Verhältnis auf alle menschlichen Äußerungen auszuweiten. In diesen Wortschöpfungen spiegelt sich ein realer Prozess in verzerrter Form wider. Die Warenform und der Verwertungsimperativ treten immer näher an den Menschen und seine physischen und psychischen Entäußerungen heran. Die Warenmonade wird ergänzt durch den Konsumcontainer und den Staatsbürgerinnenbrutkasten. Daraus ergeben sich dann solche logischen Stilblüten orwellscher Sprache, wie das Humankapital. Selbiger Ausdruck erfreut sich besonders im universitären Umfeld größter Beliebtheit. Die Universitäten erhalten den Rohstoff Mensch, und verwandeln ihn in verwertbares Humankapital. Der Ausdruck Kapital trifft hier gleichzeitig zu und nicht zu. Einerseits ist Kapital eben nur jenes, im oben beschriebenen Sinne, gesellschaftliche Verhältnis, andererseits beschreibt der Begriff Humankapital einen Prozess der immer weiteren und schnelleren Urbarmachung des Menschen. Die adrette Betriebswirtin, die weiß, dass Markt und Kapital immerwährende Konstanten menschlicher Wechselwirkung bilden, und der positivistische Politologe, der WählerInnenstromanalysen verfasst, sind dabei die zwei Seiten derselben Medaille. Die Tautologisierung schreitet vollends voran die Menschen sind immer mehr „verwertungsunmittelbar“. Kein Refugium und kein Residuum bleiben zurück. Überall kommt diese Unmittelbarkeit zum Vorschein. Z.B. als Fitnesswahn der Arbeitskraftbehälter, oder als Modeneurose der Konsumcontainer.

Diese totale Inwertsetzung aller menschlichen Regungen tritt in der finalen Krise des Kapitals immer desaströser hervor. Der einzelne Mensch ist dabei in seiner Vereinzelung total (wert)vergesellschaftet. Moishe Postone hat diese Entwicklung in zwei Sätze gebannt, die auch als Modernisierung und Konkretisierung des berühmten Springquell-Diktums Marxens aus dem Kapital gelesen werden sollte. Denn:
„der Kapitalform hängt der Traum einer äußersten Grenzenlosigkeit an, eine Phantasie von Freiheit als der völligen Befreiung von aller Stofflichkeit, von der Natur. Dieser 'Traum des Kapitals' wird zum Alptraum für all das und all diejenigen, wovon das Kapital sich zu befreien versucht - den Planeten und seine Bewohner. Die Menschheit kann aus diesem schlafwandlerischen Zustand nur erwachen, wenn sie den Wert abschafft."( M. Postone: "Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft", S. 576)
vr - 21. Apr, 12:56

Vielleicht kannst du mich ja auf krisentheoretische Texte verweisen, die überzeugende empirische Belege für die "finale Krise des Kapitals" (im Unterschied zu einer "Reinigungskrise") liefern (online wenn möglich). Was ich bisher gesehen habe, hat weitestgehend auf jede Empirie verzichtet, sie teils sogar in Bausch und Bogen abgelehnt. Da nun jedoch eine solche finale Krise auch sinnlich wahrnehmbar (also nicht nur im Kopf des Theoretikers existent) sein sollte, müsste das doch machbar sein.

beschaedigtesleben - 21. Apr, 17:35

Glücklich ist, wer vergisst, dass finale Krise ist

(frei nach Goethe)

Nein ganz im Ernst, solltest du jene Person sein con der ich glaube, dass du sie bist, hast du momentan 2 Werke die die auf diefinale Krise hinweisen. Aber alles der Reihe nach:

1) Die Marxsche Theorie ist eine immanente Krisentheorie. Das Kapital ist aus vielen Fällen als Prozess äußerst Krisen anfällig. Dies ergibt sich alleine schon aus dem Kreislauf G-W-G´, also grundsätzlich aus der Warenproduktion für einen Markt. Aber nicht nur das, im 3. Band des Kapitals behandelt Marx das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate. Dieser ist zwar seiner Meinung nach nur eine Tendenz(dies gilt es zu unterstreichen), dennoch untergräbt sich das Kapital tendenziell qua Produktivkraftentwicklung, in dem es immer weniger abstrakte Arbeit einsaugen kann. Durch die Steigerung der "relativen Mehrwertproduktion" wird die abstrakt verausgabte menschliche Arbeit immer weniger.

Zwar hat Marx noch nichts von einer finalen Krise fabuliert, was zu seiner Zeit auch in keinster Weise vorherzusehen war, dennoch enthält seine Krisentheorie bereits in nuce das Potenzial der finalen Krise.

2) Bezüglich empirischem Material, kann ich dir einerseits empfehlen in deine Umwelt zu schauen, ok das klingt vielleicht etwas blöd, und beweist auch keineswegs eine finale Krise, anderseits kann ich dir aber auch Robert Brenner empfehlen. Dieser ist ein us-amerikanischer Linker, der sich mit der jetzigen Krise auseinadersetzt, unter anderem mit haufenweise empirischen Material. Am besten einfach mal googeln. In EXIT! Numero uno war auch ein Artikel zu Brenners Krisentheorie. Weitere einschlägige Literatur(ich nehme an du hast einiges davon, bereits von mir ausgeliehen):

Kurz, Robert: Die Himmelfahrt des Geldes. Strukturelle Schranken der Kapitalverwertung, Kasinokapitalismus und globale Finanzkrise, In: Krisis 16/17 1995

ders.: Die Substanz des Kapital-Teil1, In: EXIT! 1/2004

als Sequel dazu(wobei ich die Fortsetzung noch nicht gelesen habe, also gewissermaßen eine Blankoempfehlung dank des Renómees des Autors):

ders.: Die Substanz des Kapital-Teil2, In: EXIT! 2/2005

und

Moishe Postone: Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft, Freiburg 2003

Abschließend vielleicht ein Zitat aus den Marxschen Grundrissen das die Theorie der finalen Krise am stärksten untermauert:


Sobald die Arbeit in unmittelbarer Form aufgehört hat, die große Quelle des Reichtums zu sein, hört auf und muß aufhören, die Arbeitszeit sein Maß zu sein und daher der Tauschwert [das Maß] des Gebrauchswerts.
Die Surplusarbeit der Masse hat aufgehört, Bedingung für die Entwicklung des allgemeinen Reichtums zu sein, ebenso wie die Nichtarbeit der wenigen für die Entwicklung der allgemeinen Mächte des menschlichen Kopfes. Damit bricht die auf dem Tauschwert ruhnde Produktion zusammen, und der unmittelbare materielle Produktionsprozeß erhält selbst die Form der Notdürftigkeit und Gegensätzlichkeit abgestreift." (Marx 1983/1857, 601)


Wichtig hierbei ist es zwischen den Formen des Reichtums im(!) Kapitalismus zu unterscheiden, also dem stofflichen Reichtum und dem Abstrakten der Wertvergesellschaftung. Ich bin jetzt zu faul das weiter zu erörtern, wir können es aber gerne heute Abend bei einem Glas Wein weiterdiskutieren.
vr - 21. Apr, 19:40

Ich bin sicher nicht der mit dem Glas Wein, deshalb einige Anmerkungen hier.

Von Brenner habe ich Boom+Bubble und diverse Texte im Internet gelesen, darin keinen Hinweis auf eine finale Krise gefunden. Im Gegensatz zu Krisis und Exit! bezieht er sich nicht auf das Marxsche Profitratengesetz, sondern auf den konkreten Weltmarkt.

Das bekannte Marx-Zitat ist ganz aufschlussreich und wird sehr verschieden gelesen, mal nur den Anfang:
"Sobald die Arbeit in unmittelbarer Form aufgehört hat, die große Quelle des Reichtums zu sein..."
Wenn man eine finale Krise konstatiert, muss man zeigen, dass die Arbeit aufgehört hat, Quell des Reichtums zu sein, und den Nachweis sehe ich nicht. Den Himmelfahrtstext von Kurz habe ich mir eben mal exemplarisch durchgesehen, und lediglich anekdotische Evidenz (etwa: "Ölkrise" - bezeichnenderweise war die von 1973 die größte, die folgenden waren weniger bedeutend) gefunden, des weiteren den häufigen Bezug auf eine "Wertmasse", die er quantitativ nicht benennen kann, von der er aber genau weiß, dass weniger von ihr produziert wird.
Oder:
"Per Saldo kann heute grundsätzlich gesagt werden, daß im Zuge der mikroelektronischen Revolution, deren Potential noch längst nicht ausgeschöpft ist, zusammen mit der fordistischen Expansion die Ausdehnung der produktiven Arbeit und damit der realen Wertschöpfung seit Beginn der 80er Jahre zum Stillstand gekommen und inzwischen global negativ geworden ist."
Beleg: Fehlanzeige

Im "Schwarzbuch" tauchen einige empirische Belege für andere Dinge auf, etwa dafür, dass im Mittelalter der Reallohn höher gewesen sein soll. Ich habe das mal nachgerechnet und mich dann gefragt, ob Kurz sich darauf verlässt, dass ohnehin jeder über die Zahlen drüberliest:
http://volkerradke.looplab.org/fragmente_2002.html#dz3

Ich brauche nicht davon überzeugt zu werden, dass der Kapitalismus krisenhaft ist, das ist den meisten Leuten klar. Das Problem ist die finale Krise und die dünne Belegbasis, die im wesentlichen aus anekdotischer Evidenz + Profitratengesetz (das unter Marxisten ausgesprochen umstritten ist, vgl. http://kf.x-berg.de/forum/thread.php?threadid=768&page=3 ) besteht.

Ganz amüsant fand ich am Rande noch, dass Kurz sich zwar über die Akkumulationstheorie lustig macht, aber selbst am Fordismuskonzept festhält, das u.a. der von dir erwähnte Robert Brenner mit guten Argumenten kritisiert.

beschaedigtesleben - 21. Apr, 19:59

In Vino veritas

Mea culpa mea culpa mea maxima culpa...

tut wirklich leid, dachte du wärst eine andere Person, deshalb nur ganz kurz, ich werde morgen weiter versuchen auf deine Aussagen einzugehen, da jetzt eben Weintrinken angesagt ist:)
beschaedigtesleben - 25. Apr, 06:58

stay tuned

Wäre schade wenn diese Diskussion versanden würde, nur leider liege ich nun entgültig mit Grippe im Bett und werde wahrscheinlich in den nächsten Tagen nicht zum Antworten kommen. Tut leid

vr - 25. Apr, 10:00

Kein Problem, vielleicht kannst du mir eine Mail über mein Weblog schicken, wenn du geantwortet hast.
vr - 5. Mai, 10:10

Und, geht's besser?
beschaedigtesleben - 5. Mai, 19:06

jo, danke werde demnächst(soll heißen hoffentlich noch am Wochenende), versuchen einen eigenen Blogeintrag zur"(finalen) Krise, zu erstellen. Dieser sollte dann auf deine Ausführungen eingehen.
beschaedigtesleben - 6. Mai, 16:22

Replik

Ich habe momentan leider doch nicht die Verve bzw. die Zeit einen eigenen Blogeintrag zu diesem Thema zu verfassen, deshalb nochmals kommentatorische Anmerkungen:

Zu Brenner: Mir ist schon klar, dass Brenner keine finale Krise des Kapitalismus konstatiert. Über „Boom & Bubble“ kann ich nichts sagen. Ich bezog mich auf seinen paradigmatischen Text „The Economics of Global Turbulence“ (deutscher Titel, sofern vorhanden, mir unbekannt), auch dort ist von keiner finalen Krise die Rede, vielmehr geht es Brenner eben darum, überhaupt eine Krise zu attestieren, dies allein ist beim Zustand der us-amerikanischen) Linken ein großes Verdienst. Wie auch immer, ist auch Brenner mit Tonnen von empirischem Material überhäuft worden, welches besagen sollte, seine Theorie ist nicht haltbar. Dabei entblödeten sich die „marxistischen ÖkonomInnen“ nicht den Modellplatonismus der bürgerlichen VWL zu kopieren, nein sie trieben ihn auch noch auf die Spitze, indem sie Brenner damit der Unwahrheit überführen wollten.

Zur Theorie der finalen Krise: Nochmals kurz resümierend wovon diese Theorie ausgeht(damit wir uns klar sind worum es denn geht:)

Durch die Produktivkraftsteigerung(jetzt: mikroelektronische Revolution) wird immer weiniger menschliche Arbeit eingesaugt, die Maschinen allein übertragen nur Wert, können also keinen neuen Wert schaffen. Die organische Zusammensetzung des Kapitals(vgl. tFdP) führt dazu, dass mit immer weniger menschlicher Arbeitskraft immer mehr Produkte hergestellt werden, stofflicher Reichtum und Wert klaffen immer weiter auseinander(vgl. Marx Zitat, und siehe weiter unten), dadurch wird pro Produkt immer weniger Wert dargestellt. So weit so schlecht.

Dem Kapitalismus geht es natürlich nur um den Mehrwert, dieser müsste(wie in den fordistischen Prosperitätsphase) absolut steigen, ist aber auf Gedeih und Verderb an die gesamte Wertschöpfung gebunden. Historisch wurde dieses Problem mit einer Erweiterung der Märkte (über-)kompensiert, pro Ware weniger Wert, gleichzeitig konnten die Märkte aber durch Verbilligung so weit ausgedehnt werden, dass in generale mehr Arbeit eingesaugt wurde(Paradebeispiel der fordistische Schub schlechthin: die Autmobilisierung der Geselschaft). So weit so gleich die Ansichten (oder?).

Jetzt kommen die tönernen Füße der Theorie der finalen Krise zum Tragen. TraditionsmarxistInnen meinen dieser Vorgang, der prototypisch durch die Fordisierung der Gesellschaft dargestellt ist, würde ad infitum weitergehen können. Die finalen KrisentheoretikerInnen sehen in der jetzigen 3. industriellen Revolution der Mikroelektronisierung diese Potentiale erloschen. Das Grundaxiom(ich verwende mal den nonchalanten Audruck Axiom, um den Einwurf „wo bleibt die Empirie!“ für kurz hintanstellen zu können) der WertabspaltungskritikerInnen ist hierbei nun, dass dieser Kompensationsmechanismus heutzutage nicht mehr funktioniert, da mehr Arbeitskraft überflüssig wird als insgesamt reabsorbiert werden kann. Die Prozessinnovationen übersteigen die Produktinnovationen. Dieses Problem zeigte sich bisher immer zyklisch durch tendenziellen Fall der Profitrate( finde die kf Diskussion spannend, würde da aber mit dir d´accord gehen und sagen der tFdP ist eben nur eine Tendenz), in der jetzigen Krise aber im absoluten(!) Fall der Mehrwertmasse.
Potenzierend hinzu kommt noch das immense Ansteigen der „unproduktiven Arbeit“(wie sie Kurz im oben schon genannten Text sehr gut beschreibt), aka in Marxens Terminologie „faux frais“. Stichwort: Tertiarisierung. Soviel mal zu den Rahmenbedingungen der finalen Krise. Das Marxzitat aus den Grundrissen liefert mithilfe eines kursorischen Blickes durch die Zeit der kapitalistischen Akkumulation einige interessante Indizien für die finale Krise. Nochmal das Zitat in Elongatur:

Sobald die Arbeit in unmittelbarer Form aufgehört hat, die große Quelle des Reichtums zu sein, hört auf und muß aufhören, die Arbeitszeit sein Maß zu sein und daher der Tauschwert [das Maß] des Gebrauchswerts.
Die Surplusarbeit der Masse hat aufgehört, Bedingung für die Entwicklung des allgemeinen Reichtums zu sein, ebenso wie die Nichtarbeit der wenigen für die Entwicklung der allgemeinen Mächte des menschlichen Kopfes. Damit bricht die auf dem Tauschwert ruhnde Produktion zusammen, und der unmittelbare materielle Produktionsprozeß erhält selbst die Form der Notdürftigkeit und Gegensätzlichkeit abgestreift." (Marx 1983/1857, 601)

Mal abgesehen vom unbedarften Verwenden des Wortes GebrauchsWERT, den ich nicht so emphatisch als Residuum der menschlichen Tätigkeit setzten, vielmehr sei hier auf das Wort WERT zu insistieren, zeigt dieses Zitat doch recht stringent worum es geht. Die kapitalistische Produktivkraftentwicklung zeichnet sich dadurch aus, dass Schere zwischen stofflichem Reichtum und abstraktem Wert, immer weiter auseinander gegangen ist. Noch in Zeiten der frühkapitalistischen Manufaktur, war der Unterschied relativ klein, der Wert der produzierten Waren überstieg nur sehr gering, das was den ArbeiterInnen an Lohn ausgezahlt wurde. Der Mehrwert war relativ gering. Das Kapital versuchte dies durch überlange Arbeitszeiten zu kompensieren, und setzte gleichzeitig die materiellen Verhältnisse der ProletarierInnen auf ein absolutes Minimum herab. Nur so gelang es überhaupt Mehrwert abzupressen(Stichwort: absolute Mehrwertproduktion). Postone beschreibt die manufakturielle Produktion folgendermaßen: „Die Wertform des gesellschaftlichen Mehrprodukts(!) mag tatsächlich einen fortwährenden Drang nach steigender Produktivität erzeugen, doch ein Arbeitsprozess, dessen Zweck stofflicher Reichtum ist, kann noch nicht von demjenigen unterschieden werden, dessen Zweck Wert ist“(Postone, Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft, Seite 506).Wert und stofflicher Reichtum klafften noch nicht in diesem Ausmaß auseinander. Seit Mitte des 19 Jh. kam es dann zu einer intensiveren Ausnutzung der Arbeitskraft(Stichwort: relative Mehrwertproduktion), gleichzeitig wurde die Manufaktur-(allein das Wort ist schon aussagekräftig, denn alles wurde mit den Händen hergestellt) durch die Industrieproduktion ersetzt, Stofflicher Reichtum und abstrakter Wert traten nun im oben erläuterten Sinnen schon weiter auseinander. In Paraphrase des Maxschen Diktums, die (abstrakte) Arbeit wurde etwas(!) weniger Quelle des (stofflichen)Reichtums. Der stoffliche Reichtum korrespondiert also nicht mit dem jeweiligen Niveau des wertförmigen gesellschaftlichen Reichtums.

Ich habe jetzt keine Zeit mehr die weitere progrediente Entwicklung zu skizzieren, es sollte aber- so hoffe ich doch- klar geworden sein, worauf ich hinaus will.
vr - 10. Mai, 15:15

Zur Profitrate: Ich sehe einen Widerspruch, wenn du mir zum einen in Bezug auf die KF-Diskussion zustimmst, zum anderen dann aber doch wieder auf den tendenziellen Fall der Profitrate rekurrierst. Ich behaupte ja gerade, dass die Richtung der Profitratenentwicklung unbestimmt ist, es also keinen tendenziellen Fall gibt, wie ihn Marx sah.

Zur Mehrwertmasse - interessant ist aus meiner Sicht, hier folge ich Heinrich (Wissenschaft v. Wert, S. 332), nicht ihre absolute Größe, sondern ihr Verhältnis zum Gesamtkapital, also (m/c+v). Die Aussage, dass die Mehrwertmasse sinkt, wird erst interessant, wenn man sie ins Verhältnis zum Gesamtkapital setzt.

Ich würde auch nicht behaupten, dass es "dem Kapitalismus" nur um den Mehrwert geht. Kapitalisten geht es um Profite, für sie existiert kein Mehrwert, aber da sagen wir Marxisten, die ja ganz tief unter die Oberfläche blicken, die wissen halt nichts vom Wert. Wenn Profite aus irgendwelchen Gründen mal sinken, entstehen Gegenbewegungen - Kapitalvernichtung, Abfluss von Kapital in gerade profitablere Bereiche, Oligopolisierung mit der Folge von höheren Preisen, also höheren Profiten etc.

Ich kann mir durchaus massive Krisen vorstellen, die viele Kapitalisten und auch die eine oder andere Nation in den Bankrott treiben, dies ist jedoch etwas anderes als das Ende des Kapitalismus. Gegenwärtig ist es sogar so, dass einige Nationen verstärkt auf den Weltmarkt drängen, in denen fordistische Produktionsweise und Mikroelektronik sich gerade erst herausbilden (etwa China). Selbst wenn die Mikroelektronik die finale Krise des Kapitalismus einläuten sollte, was ich eher nicht glaube, ist sie in vielen Ländern noch nicht einmal angekommen. Angesichts eines Weltwirtschafswachstums von 3,4% im Jahre 2004 bin ich allerdings ohnehin pessismistisch, was das Ende des Kapitalismus anbelangt.

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