Enjoy Esoterics! – Zu den liberalen Legitimationsphantasmen
Sich über die fehlende Kritik der liberalen Presse zu echauffieren, nimmt zumeist die Form einer Groteske an. Zwei Muster bestimmen dabei die gesamte Szenerie: Zum Einen versucht Der/die noch nicht völlig zynisierte linke KritikerIn der liberalen Sonntagsschule mit Hilfe der Kritik der politischen Ökonomie ihre eigene Unzulänglichkeiten vor Augen zu führen. Auf der anderen Seite ist der/die absolute ZynikerIn, welcher mit liberaler Presse tutto completto abgeschlossen hat, und bei Erwähnung derselbigen nurmehr kleinlaut und in polemischer Absicht „Freiheit, Gleichheit, Eigentum und Bentham!“(1) von sich gibt. So richtig die zweitere Erklärung de facto auch ist, denn mit besagtem apodiktisch wirkendem Marxschen Diktum ist eigentlich der Dolchstoss gegen den Liberalismus schon vollführt; so falsch wäre es die liberalen Presse nicht einmal eines zwischenzeitlichen Blickes zu zeihen.
Verstünden die liberalen Plappermäuler nämlich etwas von der Kritik der politischen Ökonomie, würden sie wohl nicht nur vom lieb gewonnenen Nachtwächterstaat endgültig Abschied nehmen. Gerade da sie dies aber nicht tun, und ihnen die Entwicklung des Kapitalismus, aus Schmähung des Marxschen Kapitals(und nicht nur diesem), ein (rotes) Buch mit sieben Siegeln bleiben muss, zeigen sich regressive Krisenlösungsmodelle dort am deutlichsten. Jene die schmallippig immer und immer wieder die auf die heilende, dennoch unsichtbare Hand des Marktes, insistieren, stehen der jetzigen Krise äußerst wortkarg gegenüber. So auch das Flagschiff des deutschen Liberalismus,“die Zeit“ . Selbige, ein voluminöses Wochenblatt mit honorigem Nimbus, hat nun unter dem Titel „Die Zukunft des Kapitalismus“ eine Debatte initiiert. Das Interesse des Blattes selbst an diesem Thema ist schon ein Indiz für die Krise. Zwar findet die Auseinandersetzung im Feuilleton, direkt neben Tipps für Sommeliers, statt, dennoch ist das alleinige Stattfinden der Auseinandersetzung schon ein Novum und gleichzeitig Eingeständnis der eigenen Fassungslosigkeit. Über das Ergebnis der oben gestellten Frage, die eigentlich gar keine Frage war, und der gesamten Debatte nach der Zukunft des Kapitalismus braucht natürlich nicht lange vor Gericht gesessen werden. Der erste Beitrag lässt schon. erahnen in welche Richtung der Diskussionszug gleichsam auf Schienen rollen wird. Mit Sicherheit nicht gen morgenrot.
Schließlich darf nun Unter den Titel „Das Leben in Amerika ist angenehm. Aber kein Modell für alle“ der Autor Amitav Gosh den legitimatorischen Maskenball beginnen. Gleich zu Anfang seines Traktates heißt es dann:
„Ich hielt dem Chefredakteur entgegen, er sei ungerecht: nicht gegenüber den Vereinigten Staaten, sondern gegenüber den großen Mächten von einst. Denn dass Imperien häufig edle Ideale verfolgen, ist eine Tatsache – das Problem liegt aber in den Methoden, die sie dabei anwenden und die regelmäßig die behaupteten Ziele und Zwecke untergraben. Warum? Weil der Prozess des Eroberns, des Besetzens und der Ausübung von Herrschaft Wirklichkeiten erschafft, die dann als Alibis verwendet werden, um die Verwirklichung der hehren Ideale immer weiter zu vertagen.“
Imperien, Nationen Länder, alle verfolgen die hehren Ziele der Menschlichkeit. Die westlichen Zivilisationsritter werden sich über dieses Sekundieren mit Sicherheit freuen, denn „Freiheit! Gleichheit! und Bentham! müssen schließlich auf der ganzen Welt ihre NutznießerInnen qua humanitas finden. Zwar zaudert der Literat ein wenig und führt im Weiteren einige Einschränkungen, wie die des Sklavenhandels an, um dann just einige Zeilen später wieder eine Eloge auf den Kapitalismus, besonders rheinischer Provenienz, anzustimmen:
„ Während sich dieser Konflikt anbahnte[gemeint ist der Irak Krieg, Anm. B.L.], entdeckten nämlich die meisten Europäer – zum ersten Mal in einem Jahrtausend –, wie sich die Welt aus der Sicht von Kolonisierten ausnimmt, und das ist keine Perspektive, die man ganz leicht wieder vergisst. Gleichzeitig zeichneten sich auch innerhalb des angelsächsisch-amerikanischen Bündnisses, welches das jahrhundertealte imperiale Projekt von Europa übernommen hat, ermutigende Anzeichen von Nonkonformismus ab. Es war historisch beispiellos, wie Kanada und Neuseeland abweichende Haltungen einnahmen.Aber der hellste aller Lichtpunkte ist heute Europa selbst, in seiner neuen Gestalt als Europäische Union. Es ist ein Lichtpunkt, weil es auf der Anwendung der zwangsläufig langsamen und zögerlichen Methoden des Friedens und der Verhandlung beharrt.“
Da jubelt und jollt das deutsche Feuilleton, ein des Geschichtsrevisionismus völlig Unverdächtiger, sagt genau das, was sich alle denken, aber in keinem Fall zu sagen getrauen. Die in humanistischer Tradition stehenden europäischen Friedensmächte stemmten sich alleinig aus ihren hehren Motiven heraus, die der Autor ja weiter oben schon attestiert hatte, gegen die kulturlosen und barbarischen Amis. Diese wollen partout den humanistischen Kapitalismus nicht vom „Imperium“ trennen, deshalb der ganze Salat. Gleich im Anschluss an die oben zitierte Stelle, kommt der Autor dann zum Zenit seiner ganzen Argumentation, rein publizistisch hat der Liberalismus ja schon längst gesiegt, doch der Claqueur muss noch einen essentiellen Endpunkt anbringen:
„Europa hat sich von den gefährlich verlockenden Teleologien des vergangenen Jahrhunderts abgewandt. Es zeigt der Welt, was durch die Konzentration auf Mittel statt auf Endzwecke erreicht werden kann. Nur auf diese Weise kann die Welt ihr gemeinsames Schicksal zurückerobern – aus den Fängen der neuen Advokaten des Imperialismus, aber auch von den Imperien der Begierde und des Verlangens, die unseren Planeten aufzufressen drohen.“
Da kommen den liberalen DemiurgInnen schon fast die Tränen. So elaboriert lässt sich die Totalitarismustheorie nur schwerlich ausdrücken: d[ie] gefährlich verlockenden Teleologien des vergangenen Jahrhunderts“ –zu diesem unfassbaren (Sprach-)Phantasma bedarf es einer eigenen Auseinandersetzung. In diesem fast schon lyrischen Schwadronadenduktus geht es dann auch flott weiter, „durch die Konzentration auf Mittel statt auf Endzwecke“ - in kritischer Intention hieß das noch instrumentelle Vernunft. (…) aus den Fängen der neuen Advokaten des Imperialismus, aber auch von den Imperien der Begierde und des Verlangens, die unseren Planeten aufzufressen drohen“.
Das gesamte Elend des (europäischen) Liberalismus spiegelt sich besonders im letzten Absatz des Textes. Auf eine genauere Analyse werde ich mich nicht einlassen, dennoch zeigt sich alleine an diesem Abschnitt, dass die Apologetik der kapitalistische Realmetaphysik in Zeiten der Krise, aufgrund der ihr immer offener zutage tretenden immanenten Absurditäten, im Endeffekt in esoterisches Gebrabbel münden muss. Nichts anderes stellt der Liberalismus in Permanenz zur Schau.
(1) Das gesamte berühmt-berüchtigte Marxzitat: „Freiheit, Gleichheit, Eigentum, und Bentham. Freiheit! Denn Käufer und Verkäufer einer Ware, z.B. der Ware Arbeitskraft, sind nur durch ihren freien Willen bestimmt (...). Gleichheit! Denn sie beziehen sich nur als Warenbesitzer aufeinander (...). Eigentum! Denn jeder verfügt nur über das Seine. Bentham: denn jedem der beiden ist es nur um sich selbst zu tun." (K1, S.189f), Diese polemische Spitze Marxens, gkenntzeichnet durch seinen messerscharfen Zungenschlag, besonders gegen den Utilitaristen Bentham, kann ganz allgemein als Kritik an der zirkulär verkürzten Ideologie der bürgerlichen Freiheiten gelten.
Verstünden die liberalen Plappermäuler nämlich etwas von der Kritik der politischen Ökonomie, würden sie wohl nicht nur vom lieb gewonnenen Nachtwächterstaat endgültig Abschied nehmen. Gerade da sie dies aber nicht tun, und ihnen die Entwicklung des Kapitalismus, aus Schmähung des Marxschen Kapitals(und nicht nur diesem), ein (rotes) Buch mit sieben Siegeln bleiben muss, zeigen sich regressive Krisenlösungsmodelle dort am deutlichsten. Jene die schmallippig immer und immer wieder die auf die heilende, dennoch unsichtbare Hand des Marktes, insistieren, stehen der jetzigen Krise äußerst wortkarg gegenüber. So auch das Flagschiff des deutschen Liberalismus,“die Zeit“ . Selbige, ein voluminöses Wochenblatt mit honorigem Nimbus, hat nun unter dem Titel „Die Zukunft des Kapitalismus“ eine Debatte initiiert. Das Interesse des Blattes selbst an diesem Thema ist schon ein Indiz für die Krise. Zwar findet die Auseinandersetzung im Feuilleton, direkt neben Tipps für Sommeliers, statt, dennoch ist das alleinige Stattfinden der Auseinandersetzung schon ein Novum und gleichzeitig Eingeständnis der eigenen Fassungslosigkeit. Über das Ergebnis der oben gestellten Frage, die eigentlich gar keine Frage war, und der gesamten Debatte nach der Zukunft des Kapitalismus braucht natürlich nicht lange vor Gericht gesessen werden. Der erste Beitrag lässt schon. erahnen in welche Richtung der Diskussionszug gleichsam auf Schienen rollen wird. Mit Sicherheit nicht gen morgenrot.
Schließlich darf nun Unter den Titel „Das Leben in Amerika ist angenehm. Aber kein Modell für alle“ der Autor Amitav Gosh den legitimatorischen Maskenball beginnen. Gleich zu Anfang seines Traktates heißt es dann:
„Ich hielt dem Chefredakteur entgegen, er sei ungerecht: nicht gegenüber den Vereinigten Staaten, sondern gegenüber den großen Mächten von einst. Denn dass Imperien häufig edle Ideale verfolgen, ist eine Tatsache – das Problem liegt aber in den Methoden, die sie dabei anwenden und die regelmäßig die behaupteten Ziele und Zwecke untergraben. Warum? Weil der Prozess des Eroberns, des Besetzens und der Ausübung von Herrschaft Wirklichkeiten erschafft, die dann als Alibis verwendet werden, um die Verwirklichung der hehren Ideale immer weiter zu vertagen.“
Imperien, Nationen Länder, alle verfolgen die hehren Ziele der Menschlichkeit. Die westlichen Zivilisationsritter werden sich über dieses Sekundieren mit Sicherheit freuen, denn „Freiheit! Gleichheit! und Bentham! müssen schließlich auf der ganzen Welt ihre NutznießerInnen qua humanitas finden. Zwar zaudert der Literat ein wenig und führt im Weiteren einige Einschränkungen, wie die des Sklavenhandels an, um dann just einige Zeilen später wieder eine Eloge auf den Kapitalismus, besonders rheinischer Provenienz, anzustimmen:
„ Während sich dieser Konflikt anbahnte[gemeint ist der Irak Krieg, Anm. B.L.], entdeckten nämlich die meisten Europäer – zum ersten Mal in einem Jahrtausend –, wie sich die Welt aus der Sicht von Kolonisierten ausnimmt, und das ist keine Perspektive, die man ganz leicht wieder vergisst. Gleichzeitig zeichneten sich auch innerhalb des angelsächsisch-amerikanischen Bündnisses, welches das jahrhundertealte imperiale Projekt von Europa übernommen hat, ermutigende Anzeichen von Nonkonformismus ab. Es war historisch beispiellos, wie Kanada und Neuseeland abweichende Haltungen einnahmen.Aber der hellste aller Lichtpunkte ist heute Europa selbst, in seiner neuen Gestalt als Europäische Union. Es ist ein Lichtpunkt, weil es auf der Anwendung der zwangsläufig langsamen und zögerlichen Methoden des Friedens und der Verhandlung beharrt.“
Da jubelt und jollt das deutsche Feuilleton, ein des Geschichtsrevisionismus völlig Unverdächtiger, sagt genau das, was sich alle denken, aber in keinem Fall zu sagen getrauen. Die in humanistischer Tradition stehenden europäischen Friedensmächte stemmten sich alleinig aus ihren hehren Motiven heraus, die der Autor ja weiter oben schon attestiert hatte, gegen die kulturlosen und barbarischen Amis. Diese wollen partout den humanistischen Kapitalismus nicht vom „Imperium“ trennen, deshalb der ganze Salat. Gleich im Anschluss an die oben zitierte Stelle, kommt der Autor dann zum Zenit seiner ganzen Argumentation, rein publizistisch hat der Liberalismus ja schon längst gesiegt, doch der Claqueur muss noch einen essentiellen Endpunkt anbringen:
„Europa hat sich von den gefährlich verlockenden Teleologien des vergangenen Jahrhunderts abgewandt. Es zeigt der Welt, was durch die Konzentration auf Mittel statt auf Endzwecke erreicht werden kann. Nur auf diese Weise kann die Welt ihr gemeinsames Schicksal zurückerobern – aus den Fängen der neuen Advokaten des Imperialismus, aber auch von den Imperien der Begierde und des Verlangens, die unseren Planeten aufzufressen drohen.“
Da kommen den liberalen DemiurgInnen schon fast die Tränen. So elaboriert lässt sich die Totalitarismustheorie nur schwerlich ausdrücken: d[ie] gefährlich verlockenden Teleologien des vergangenen Jahrhunderts“ –zu diesem unfassbaren (Sprach-)Phantasma bedarf es einer eigenen Auseinandersetzung. In diesem fast schon lyrischen Schwadronadenduktus geht es dann auch flott weiter, „durch die Konzentration auf Mittel statt auf Endzwecke“ - in kritischer Intention hieß das noch instrumentelle Vernunft. (…) aus den Fängen der neuen Advokaten des Imperialismus, aber auch von den Imperien der Begierde und des Verlangens, die unseren Planeten aufzufressen drohen“.
Das gesamte Elend des (europäischen) Liberalismus spiegelt sich besonders im letzten Absatz des Textes. Auf eine genauere Analyse werde ich mich nicht einlassen, dennoch zeigt sich alleine an diesem Abschnitt, dass die Apologetik der kapitalistische Realmetaphysik in Zeiten der Krise, aufgrund der ihr immer offener zutage tretenden immanenten Absurditäten, im Endeffekt in esoterisches Gebrabbel münden muss. Nichts anderes stellt der Liberalismus in Permanenz zur Schau.
(1) Das gesamte berühmt-berüchtigte Marxzitat: „Freiheit, Gleichheit, Eigentum, und Bentham. Freiheit! Denn Käufer und Verkäufer einer Ware, z.B. der Ware Arbeitskraft, sind nur durch ihren freien Willen bestimmt (...). Gleichheit! Denn sie beziehen sich nur als Warenbesitzer aufeinander (...). Eigentum! Denn jeder verfügt nur über das Seine. Bentham: denn jedem der beiden ist es nur um sich selbst zu tun." (K1, S.189f), Diese polemische Spitze Marxens, gkenntzeichnet durch seinen messerscharfen Zungenschlag, besonders gegen den Utilitaristen Bentham, kann ganz allgemein als Kritik an der zirkulär verkürzten Ideologie der bürgerlichen Freiheiten gelten.
beschaedigtesleben - 4. Mai, 17:11
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