Religionskritik reloaded
Für Karl Marx hatte die Religionskritik im Wesentlichen mit Ludwig Feuerbach ihre Vollendung gefunden. Er selbst erweiterte und ergänzte die Feuerbachschen Aussagen nur in marginaler Weise. Seit dieser Zeit sind gute 160 Jahre vergangen, und die Religion ist so virulent, wie eh und je. Ob nun ein neuer katholischer Pontifex gewählt wird(irgendwer prägte dafür den von Sprachwitz zeugenden Ausdruck „Papolatrie“, eine Hybridbildung aus Papa und Idolatrie), oder HindunationalistInnen in Indien einer Form des „Vedakreationismus“ frönen(um mal ein weniger oft disputiertes Thema zu erwähnen), religiöse Pseudoerklärungen und Irrationalismen sind en vogue wie schon lange nicht mehr. Das Licht der Aufklärung, welches realiter niemals eine solche Strahlkraft innehatte, sondern vielmehr nur die legitimatorische Begleitmusik der dräuenden kapitalistischen Realmetaphysik war, scheint nun vollkommen erloschen. Das realmetaphysische „automatische Subjekt“(Karl Marx) verheert die ganze Welt, und verhilft der, zumindest in (West-)Europa teilweise sich im Rückzug befunden habenden, religiösen Metaphysik zu neuen Renaissancen.
In solchen Zeiten tut es Not wieder eine veritable Religionskritik zu lancieren. Genau dieses Verdienst macht sich auch die Berliner Wochenzeitschrift „Jungle World“ zu Eigen, indem sich die sporadisch erscheinende Beilage „the planet“ diesesmal eben mit der (emanzipatorischen) Kritik der Religion befasst. Anscheinend herrscht innerhalb der Jungle World Redaktion eine gewisse Form des Schuldgefühls, da diese besonders die letzten 3 Jahre nach 9/11, mithalf den Popanz des Islamismus zu konstruieren.
Wie dem auch sei, mit dieser Beilage sei nun mal ein wenig Buße getan. Der erste Beitrag) der Beilage(der als einziger auch zum Lesen ausdrücklich empfohlen sei), beschäftigt sich mit dem Einfluss und den Auswirkungen fundamentalistischer Hindus auf die Gebahren Indiens, und besonders auf deren „scientific community“. Obwohl der linerare Fortschrittsbegriff und der technokratische Wissenschaftspositivismus, den die Autorin dieses Textes der religiösen Volte als letzten rationalen Fels in der akademischen Brandung entgegenhält, von einem fortschrittsontologischen( ich bin fast versucht traditionsmarxistischen) Gesellschaftsbegriff zeugen; bleibt der Text äußerst aufschlussreich. Denn er zeigt weiters auf, und das ist schließlich und endlich das Verdienst des Textes, wie sich links camourflierte PostmodernistInnen dazu aufschwingen diese Art der religiösen Reaktion als authentische Kulturhandlung zu verklären. Denn beiden, dem Großteil der linkakademischen PoMos und der hinduistischen Reaktion, ist ihr Hass auf den emphatischen und apologetischen Wahrheitsbegriff der (positivistischen) Wissenschaft gemeinsam. So richtig es ist diesen zu kritisieren, so falsch ist es aber auch, sozusagen als Hinterseite derselben Medaille, den Anspruch auf Wahrheit komplett ad acta zu legen. Vielmehr gilt es im Geiste der kritischen Theorie beides zurückzuweisen, positivistische Wahrheitsemphase und postmoderne Relativiererei.
Bezüglich Religion hat wirklich schon Karl Marx kurz und prägnant alles Relevante gesagt:
„Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät. Dieser Staat, diese Sozietät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr enzyklopädisches Kompendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d'honneur [Ehrenpunkt], ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist.
Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.
Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusion über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.
Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er sich nicht um sich selbst bewegt.“[ aus: »Zur Kritik der hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung.« (1844)]
Wie Marx auch anderer Stelle erwähnt, ist die Kritik der Religion, Voraussetzung aller Kritik. Sie ist Ideologiekritik sans phrase. Die Emanzipation des Menschen vom Kapitalverhältnis, was auch meint die Emanzipation von der Metaphysik im realen Gewande des „automatischen Subjekts“, ist die einzige Möglichkeit sich von der fetischistischen „Rückbindung“(Übersetzung von lat. religio)in Nichts endlich zu lösen.
P.S. Leider habe ich besagten Text gerade beim Googeln nicht entdecken können. Sofern ich Selbigen diesen finden sollte, wird er sofort verlinkt. Sollte jemand meine Ausführungen nachprüfen wollen, so ist er/sie momentan leider auf die Printversion angewiesen.
In solchen Zeiten tut es Not wieder eine veritable Religionskritik zu lancieren. Genau dieses Verdienst macht sich auch die Berliner Wochenzeitschrift „Jungle World“ zu Eigen, indem sich die sporadisch erscheinende Beilage „the planet“ diesesmal eben mit der (emanzipatorischen) Kritik der Religion befasst. Anscheinend herrscht innerhalb der Jungle World Redaktion eine gewisse Form des Schuldgefühls, da diese besonders die letzten 3 Jahre nach 9/11, mithalf den Popanz des Islamismus zu konstruieren.
Wie dem auch sei, mit dieser Beilage sei nun mal ein wenig Buße getan. Der erste Beitrag) der Beilage(der als einziger auch zum Lesen ausdrücklich empfohlen sei), beschäftigt sich mit dem Einfluss und den Auswirkungen fundamentalistischer Hindus auf die Gebahren Indiens, und besonders auf deren „scientific community“. Obwohl der linerare Fortschrittsbegriff und der technokratische Wissenschaftspositivismus, den die Autorin dieses Textes der religiösen Volte als letzten rationalen Fels in der akademischen Brandung entgegenhält, von einem fortschrittsontologischen( ich bin fast versucht traditionsmarxistischen) Gesellschaftsbegriff zeugen; bleibt der Text äußerst aufschlussreich. Denn er zeigt weiters auf, und das ist schließlich und endlich das Verdienst des Textes, wie sich links camourflierte PostmodernistInnen dazu aufschwingen diese Art der religiösen Reaktion als authentische Kulturhandlung zu verklären. Denn beiden, dem Großteil der linkakademischen PoMos und der hinduistischen Reaktion, ist ihr Hass auf den emphatischen und apologetischen Wahrheitsbegriff der (positivistischen) Wissenschaft gemeinsam. So richtig es ist diesen zu kritisieren, so falsch ist es aber auch, sozusagen als Hinterseite derselben Medaille, den Anspruch auf Wahrheit komplett ad acta zu legen. Vielmehr gilt es im Geiste der kritischen Theorie beides zurückzuweisen, positivistische Wahrheitsemphase und postmoderne Relativiererei.
Bezüglich Religion hat wirklich schon Karl Marx kurz und prägnant alles Relevante gesagt:
„Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät. Dieser Staat, diese Sozietät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr enzyklopädisches Kompendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d'honneur [Ehrenpunkt], ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist.
Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.
Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusion über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.
Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er sich nicht um sich selbst bewegt.“[ aus: »Zur Kritik der hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung.« (1844)]
Wie Marx auch anderer Stelle erwähnt, ist die Kritik der Religion, Voraussetzung aller Kritik. Sie ist Ideologiekritik sans phrase. Die Emanzipation des Menschen vom Kapitalverhältnis, was auch meint die Emanzipation von der Metaphysik im realen Gewande des „automatischen Subjekts“, ist die einzige Möglichkeit sich von der fetischistischen „Rückbindung“(Übersetzung von lat. religio)in Nichts endlich zu lösen.
P.S. Leider habe ich besagten Text gerade beim Googeln nicht entdecken können. Sofern ich Selbigen diesen finden sollte, wird er sofort verlinkt. Sollte jemand meine Ausführungen nachprüfen wollen, so ist er/sie momentan leider auf die Printversion angewiesen.
beschaedigtesleben - 10. Mai, 21:26
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