„The adornitic turn“

Ein Blick auf die Linkliste dieses Blogs reicht um zu erkennen welchem Teil der radikalen Linken sich der Verfasser einigermaßen zugehörig fühlt, der Wertkritischen. Falls eine solche Distinktion denn überhaupt Sinn haben soll und kann(und somit nicht zur identitären Autoimmunisierung gegen jedwede Kritik gereicht), dann nur in der Hinsicht, dass auf Entwicklungen innerhalb des eigenen Szene-Subsoziotops umso sorgfältiger reagiert wird.

Genau eine solche, im oben konzertierten Sinne stattfindende, Entwicklung scheint in letzter Zeit rund um das Flagschiff der wertkritischen Publizist, namentlich Robert Kurz, gegeben zu haben. Selbiger bezieht sich in letzter Zeit immer häufiger positiv auf die (Spät-)Werke vonTheodor W. Adorno . Dies korreliert mit einer Hinwendung Kurzens zur Aufklärungs- und Subjektkritik. Seit dem Jahr 2002 publiziert Kurz dabei Artikel, welche sich mit der Thematik der Aufklärung und den ihr innewohnenden destruktiven Potenzen beschäftigen. Die Kritik der Aufklärung begann dabei in der Krisis 25 unter dem programmatischen Titel: „Blutige Vernunft. 20 Thesen gegen die sogennante Aufklärung und die westlichen Werte“. Sozusagen als Sequel und Elongatur der „Thesen“ erschien in den drauffolgenden Krisis Ausgaben(26 + 27) jeweils ein weiterer Artikel zur Thematik. Nämlich: „Negative Ontologie. Die Dunkelmänner der Aufklärung und die Geschichtsmetaphysik der Moderne“ und „Tabula Rasa - Wie weit kann und muss die Kritik der Aufklärung gehen?“(alle angeführten Texte sind daraufhin in diesem Sammelband erschienen, und leider nicht online abrufbar) .Danach kam es zu dem in diesem Blog schon kurz besprochenem Krisis/EXIT! Fork. Selbiger war nicht unwesentlich von einem Dissens über eben jene Aufklärungs- und die dazu im dialektischen Verhältnis stehende- Subjektkritik induziert. Während die (Alt-)Krisis sich nach einer Dekade im theoretischen Elfenbeinturm der Bewegung sich also tendeziell mit der konkreten Aufhebung der ganzen Scheiße widmen wollte, folglich nichts gegen eine Verballhornung wertkritischer Theorie einzuwenden hatte, trieb der neue EXIT!-Zusammenhang die Kritik weiter auf und griff auch die basalsten Formen der kapitalistischen Realmetaphysik an. Demgemäß auch die eigene Subjektkonstitution.

Der Link zu Adorno (der Untertitel eines seiner Traktate gab diesem Blog seinem Namen, und soll auch die Affinität zu seiner Denke aufzeigen) ist schnell angeführt. Selbiger verfasste zusammen mit Max Horkheimer die „Dialektik der Aufklärung“, ein äußerst kompaktes und komplexes Fragment, welches versucht den Zusammenhang zwischen Aufklärung und absoluter Barbarei auf den Punkt zu bringen. Oder wie es in der Vorrede zur DdA selbst heißt: „Was wir uns vorgesetzt hatten, war tatsächlich nicht weniger als die Erkenntnis, warum die Menschheit, anstatt in einen wahrlich menschlichen Zustand einzutreten, in eine Art der Barbarei versinkt“. Dabei gehen die Autoren dem Titel entsprechend eben von einer Dialektik der Aufklärung aus, diese habe eben sowohl gleichzeitig den Keim der Emanzipation, als auch jenen der Regression in sich. Kurz verwirft den hochtrabenden Begriff der Aufklärung in seinen neueren Werken zur Gänze und somit von der Aufklärung als durch und durch negativer Totalität aus.

Wie sich diese theoretische Entwicklung auswirken wird, ist noch in keinster Weise ausgefochten. Vielmehr scheint die jetzige EXIT! Wertkritik, dadurch dass sie einen koziseren Begriff von Arbeit Wert und Ware hat als Adorno, der immer nur vom ubiquitären Tauschverhältnis ausgegangen war und dementsprechend Arbeit als Vergesellschaftungsform ontologisiert hatte(mit diesen Defiziten hatte sich schon der alte Krisis Zusammenhang zur Genüge auseinandergesetzt, vgl dazu Norbert Trenkles Text "Gebrochene Negativität. Anmerkungen zu Adornos und Horkheimers Aufklärungskritik" [Achtung PDF File!]), die fruchtbareren Ausgangspunkte zu haben. Von einer wertkritischen Neukonzeptualisierung der kritischen Theorie Adornos (und Horkheimers) lässt sich also einiges an theoretischem Mehrwert erwarten. Einen weiteren Beitrag dazu leistet ein Seminar mit Robert Kurz bei der Kooperative Haina, welches sich mit dem erkenntnistheoretischen Hauptwerk Adornos der "Negativen Dialektik" auseinandersetzen soll. Wie weit die Kritik der Aufklärung nun wirklich gehen soll und kann, bleibt weiterhin fraglich. Über eines ist sich die die gesamte wertkritische Orthodoxie(ich gebrauche diesen Begriff in Abgrenzung gegen die Verlegenheitswertkritik der „Antideutschen“) heute aber einig. Es geht auf jeden Fall gegen die heutigen ApologetInnen von Freiheit und Demokratie im Namen der Aufklärung.

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