Freitag, 25. März 2005

Die Ware Jackson

Der King of Pop ist wohl nicht erst seit seinem letzten Album als „fallen“ zu bezeichnen. Nicht nur, dass dieses phänomenal floppte, nein, Michael Jackson ist aufgrund einer anderen Szenerie in den Medien omnipräsent(nicht nur in den Teenie – Schmonzetten von VIVA und MTV). Er ist der Pädophilie angeklagt, also des in sexuellen Kontakt Tretens mit einer de jure noch nicht mündigen Person.

Über Jacksons sexuellen Dispositionen soll hier auch gar nicht vor Gericht gesessen werden. Vielmehr zeigt sich auch an diesem Fall prototypisch wie die Kollektivprojektion gefährlicher Kinderschänder ihre reißende Wirkung erzielt. Zu diesem Phänomen hat die trotzkistische World Socialist Website, die ansonsten traditionsmarxistische Stilblüten vertreibt, unter dem Titel „Medien, Unterhaltungsindustrie und Michael Jackson“ , einiges Wahres gesagt. Zwar hat der Text es sich nicht nehmen lassen, sich zu entblöden Jackson zum „working class hero“ zu stilisieren, dennoch trifft der Text an gewissen Stellen den Punkt ziemlich genau. Besonders wenn es um die kulturindustrielle Produktion der Ware Pop Star und der Implementation des ganzen Spektakels geht. Deshalb sei der Text hier auszugsweise dokumentiert:

"Jackson, der aus der Arbeiterklasse stammt, ist sich seines Publikums wahrlich bewusst und fühlt sich ihm verpflichtet. Man kann sich vorstellen, wie er die immense Sehnsucht in der Bevölkerung als Druck und Forderung empfindet, und es ihm schwer fällt, dieses Kreuz zu tragen. Er muss auch spüren, dass Vergötterung schnell ins Gegenteil umschlagen kann, wenn sich die Wahrnehmung durchsetzt, dass das Objekt der Bewunderung durch mutmaßliche Missetaten Verrat begangen hat.
Die emotionalen Bedürfnisse der Öffentlichkeit werden von den gnadenlosen finanziellen Forderungen der Industrie noch weitaus übertroffen. Nirgendwo sonst auf der Welt ist die relativ nahtlose Verwandlung des Starkünstlers in eine Profitmaschine so perfektioniert, mit so verheerenden Folgen.


Pathologisierung und Pathos hin oder her, der Text spricht hier eine sehr wesentliche Entwicklung an, nämlich die „Zur Ware Machung“ von allen möglichen menschlichen Bedürfnissen, geht es jetzt ums Sexuelle(Stichwort: Marcuse/repressive Entsublimierung), oder eben um die Pop Star Retorte. Jackson ist aufgrund seiner körperlichen Wandlungen wohl das schillernste Beispiel. Es ist die absolute Durchsetzung alias Totalisierung der Warenform, die solch groteske Abziehbilder, seien sie nun wirklich aus körperlicher Veränderung resultierend wie im Falle Michael Jackson, oder doch nur inszeniert, wie z.B. Britney Spears. Weiter der WSWS – Text:

„Jackson hatte eine Karriere in der Unterhaltungsbranche, die mehr verlangte und "totaler" war als in den meisten Fällen. Er war beinahe sein ganzes Leben lang ein Star und muss dem Musikgeschäft in großem Maße für das danken, was er ist. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung im Jahre 2003 schrieben wir: "Warum sollte man übermäßig schockiert oder empört über Jacksons physische Transformation sein? Er ist nur den Argumenten der Kultur selbst, ihrer unermüdlichen Sucht nach dem Falschen und Irrealen, bis zu ihrer logischen, wenn auch grotesken Konsequenz gefolgt.
Seine Unreife scheint aus denselben Umständen zu kommen - dem Leben, das er führte, wie eingesponnen im Kokon des Show-Business, schließlich umgeben von einer gigantischen Entourage, deren einzige Bestimmung es war, ihm jeden Spleen von den Lippen zu lesen. Der ‚Peter-Pan-Komplex’, die offensichtlich vorgetäuschten Hochzeiten, die Ersatzmutter für sein drittes Kind- alles weist auf einen Menschen hin, der zwischen widersprüchlichen Anforderungen hin- und hergerissen ist."


Hier amalgamieren dann zwei durchaus verschiedene Phänomene, einerseits der Nimbus des Pop Stars, der ja der affirmativen Anhimmlung durch den Fan bedarf, und die Projektion gegenüber (imaginierter) Pädophilie. Noch potenzierende Wirkung dabei hat Jacksons als inauthentisch wahrgenommenes Äußeres.
Nochmals WSWS :

„Jackson, der vage als liberale Ikone wahrgenommen wird, ist zum nützlichen bête noire der Ultrarechten geworden, zu einer der menschlichen Zielscheiben, auf die reaktionäre Elemente einen Teil der orientierungslosen Wut lenken wollen, die in der amerikanischen Durchschnittsbevölkerung brodelt. Rassismus und Schwulenfeindlichkeit liegen direkt unter der Oberfläche ihrer Angriffe. Die pornografische Rechte, die immer nach Schmutz Ausschau hält, kann sich keine Strafe ausdenken, die für Jacksons angebliche Verbrechen zu hart wäre: lebenslänglich, Kastration, sogar Todesstrafe.
Die sexuellen Hexenjäger sind offensichtlich fasziniert und angezogen von dem, was sie zu verfolgen und zu bannen versuchen. Hier sehen wir Amerikas puritanische Traditionen auf den Kopf gestellt. Der Clinton-Lewinsky-Skandal öffnete die Schleusen für eine mediale Lüsternheit und Obsession für Perversionen, die nicht mehr nachgelassen hat. Der Hunger rechter, proto-faschistischer Kreise danach, von ihnen verachtete Persönlichkeiten auf schäbige Art zu erniedrigen, ist nicht zu stillen, selbst wenn dafür "Skandale" erfunden und hochgespielt werden müssen.“


Die letztendliche Ironie der ganzen Sache dann besteht darin, dass der sinkende Stern der Ware Jackson, sogar jetzt noch zur kulturindustriellen Verquasung taugt. So gibt es auf VIVA eine Serie die den Prozess Jackson, in aller Genauigkeit im Gerichtssaal, nachstellt. Wahrlich authentisch! Yeah!



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