Montag, 4. April 2005

Nicht S.O.S. sondern Mayday!

Der erste Mai war traditionell der Tag der Arbeit. An diesem Tag konnten die Sicheln und Hämmer, aber auch die Gewehre, des Proletkult ArbeitERs beiseite gelassen werden, und stattdessen war es Raison zum Aufmarsch der politischen Inkarnation der ArbeitERklasse zugehen, dem Aufmarsch der sozialistischen (und kommunistischen) Partei(en).

Als die Jahre ins Land gingen, und der Hochfordismus, samt seinem Konformitätszwang, aber auch seiner gewissen Prosperität, seine Sternstunden erlebte, war der erste Mai längst zur Traditionspflege verkommen, und der anfänglich sicherlich kämpferische Impetus war völlig verloren gegangen.

Da dieser sibirische Sommer des Hochfordismus aber nur kurz weilte, und das Gorgonenhaupt des postfordistische Kapitalismus nun endgültig zum Vorschein zu gelangen scheint, regt sich , rund um den ersten Mai, wieder gewisser Widerstand. Dieser weiß, dass er von einem demokratischen Sozialpaternalismus (sofern dieser nicht schon längst an die absolute Unterwerfung und Arbeitszwang gebunden ist) nichts mehr zu erwarten hat, stattdessen wird versucht auf adäquate Weise, nämlich den veränderten Verhältnissen des Postfordismus entsprechend, an die Tradition des kämpferischen ersten Mai anzuschließen. Dieser Versuch, der anstatt „Arbeit für alle“ lieber die „Abschaffung der Arbeit“ propagiert nennt sich „Mayday“.

Entlehnt aus dem Jargon der Seefahrt soll der Spruch zeigen, dass es höchste Eisenbahn ist, sich von den Zumutungen des kapitalistischen (Non-)Daseins zu emanzipieren. Anstatt in gutem alten Arbeitersprech einen (klerikal bonierten) „Save our Soules“ Stoßseufzer an irgendeine Institution wie die Partei abzugeben, und die „Stärksten der Parteien“ zu mimen, wird beim Mayday in Eigenregie auf die Verschlechterung der Lebensverhältnisse hingewiesen. Die Prekarisierung aller menschlichen Entäußerungen im Spätkapitalismus weiß sich in keiner institutionellen Partei zu kanalisieren. Daraus folgend finden mehreren europäischen Städten Euromaydays statt. So auch in Wien.

Sozusagen als Kickoff zu zur Mayday Parade am 1. Mai gibt es morgen am 4.4.05 eine Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „Prekär, Prekarisierung, Prekariat? Eine Info-Veranstaltung rund um den EuroMayDay 2005“ Der Aufruf dazu sei deshalb hier dokumentiert:

In den letzten Jahren haben sich die Arbeits- und Lebensbedingungen für Viele massivst verschlechtert. Diese Verschlechterungen haben einen neuen Namen bekommen: Prekarisierung. Selbige ist das Ergebnis eines weltweit voranschreitenden politischen Projektes zur Entsicherung aller Lebensbereiche, eine Entsicherung, die in anderen Ländern schon langeRealität, aber auch in diesem Lande insbesondere für Frauen, Migranten
und Migrantinnen nichts Neues ist.

Verschiedene Gruppen der undogmatischen Linken in Europa haben im vergangenen Jahr die keineswegs neuen Begriffe der Prekarisierung oder der Prekarität wieder populär gemacht und versucht, darüber eine öffentliche Debatte zu initiieren. So wurde im Zuge des EuroMayDay 2004in zahlreichen Städten prekärer Arbeits-, Lebens- und Aufenthaltsverhältnisse thematisiert, tagte im Juni die Prekarisiertenversammlung. im November wurde auf dem Europäischen Sozialforum (ESF) in London eine Koordination zum Thema Prekarisierung ins Leben gerufen, auch dasspanische Sozialforum Anfang Dezember in Malaga stand unter dem Motto Prekarisierung und in Berlin fand Mitte Januar 2005 das erste europäische Prekarisiertentreffen statt, um nur einige internationale Beispiele zu nennen. Im Zuge der Info Veranstaltung soll daher nicht nur Versucht werden, sich dem Thema Prekarisierung auf unterschiedlichen Ebenen anzunähern, sondern auch darüber diskutiert werden, welche politischen Handlungsspielräume sich unter veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ergeben.

5. April 2005, Wien
Silke Veth - arranca!
Robert Foltin - grundrisse
und weiteren GästInnen
Präsentation des Precarity DVD-Magazine - A compilation of 17 videos on
flexwork & precarity
Ort: 19 Uhr, Uni Wien
(AAKH Campus, Aula)

6. April 2005, Linz
Silke Veth - arranca!
Lucenir Caixeta - maiz
Robert Foltin - grundrisse
Präsentation des Precarity DVD-Magazine - A compilation of 17 videos on
flexwork & precarity
Ort: 20.30 Uhr, Kapu
(Kapuzinerstraße 36)

Infos
www.euromayday.at

Statt dem Lumpenproletariat zelebrieren diesmal prekär Beschäftigte aller Berufsgruppen, seien es nun SoftwareentwicklerInnen oder andere atypische Beschäftigte die Mayday-Parade. Unter der Ägide des heiligen Prekarius anstatt der Patronanz einer Partei kann eigentlich nichts schiefgehen.

P.S. Zur Prekarisierung aller Lebensbereiche im Postfordismus gibt es zum Beispiel diesen hervorragenden Textl



Aktuelle Beiträge

Nö, der To-Do Stapel...
Nö, der To-Do Stapel hält mich eigentlich nicht vom...
beschaedigtesleben - 26. Jul, 14:15
Ich wollt auch grad sagen:...
Ich wollt auch grad sagen: Das sind eindeutig zu viel...
jensito - 22. Jul, 11:04
Dein To Do-Stapel...
hält Dich ja ganz schön vom Bloggen ab. Oder? :-)
sammelsurium - 19. Jul, 13:33
„Bücher to do stapel“(II)
Auf ein zweites Mal eine kleine Vorausschau auf meine...
beschaedigtesleben - 17. Mai, 23:05
Religionskritik reloaded
Für Karl Marx hatte die Religionskritik im Wesentlichen...
beschaedigtesleben - 10. Mai, 21:28

Status

Online seit 7013 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 26. Jul, 14:13

Profil
Abmelden
Weblog abonnieren